Gut ein Jahr ist es nun her, dass eine großangelegte Razzia in Hachenburg für einen Aufschrei gesorgt hat. Ziel der Maßnahme? Ein unscheinbares Gebäude am Rande der Stadt Hachenburg im Westerwald. Ein weißes Gebäude mit blauen Fensterläden, gelegen in der Nähe des örtlichen Bahnhofs. Zwischen Oktober 2019 und Dezember 2024 existierte hier die „Fassfabrik Hachenburg“, lokal eher bekannt unter dem Namen „Hassfabrik“.

2019 eröffnet durch die AfD Westerwald, finanziert durch einen lokalen Geschäftsmann und genutzt durch die extrem rechte Szene der Region, etablierte sich hier schnell ein Ort der Radikalisierung. Nun ist es ein Jahr her, seitdem diesem Treiben ein Ende gesetzt wurde. Grund für uns, einen Blick zurück zu werfen und bislang unveröffentliches Material zugänglich zu machen. Wir laden euch ein, mit uns einen Trip in das Innere der Räumlichkeiten zu unternehmen. Wir nehmen euch mit auf einen Rundgang durch das Zentrum der extremen Rechten im Westerwald.
Eingangsbereich und Theke
Hier seht ihr einen Grundriss des Gebäudeabschnitts. Zur Orientierung haben wir die relevanten Räume farblich markiert.

Wir beginnen im roten Bereich, der den Eingangsbereich markiert. Dieser Raum wurde von der Terrasse aus betreten und verbarg sich hinter der blauen Tür, die ihr von allen Bildern der Hassfabrik kennt. Der Eingangsbereich war ein L- förmiger Raum. Wer das Objekt betrat und sich leicht nach rechts wendete, hatte vor sich direkt den Thekenbereich im Blick, der auf diesem Bild zu sehen ist.



Auffällig ist die Sammlung neonazistischer Aufkleber, die hier prominent im Eingangs-/Thekenbereich platziert wurde. Der größte Sticker zeigt das Logo der Lunikoff Verschwörung, eine der bekanntesten Rechtsrock-Bands, gegründet vom Ex-Landser Sänger Michael Regner. Landser wurde als erste Musikgruppe wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Neben diesem Sticker finden sich verschiedene Sticker der Partei „Der III. Weg“ – von dessen Jugendorganisation, der parteiinternen Kampfsportstruktur und den Kreisverbänden. Das verwundert nicht, hatte doch der Verfassungsschutz bereits festgestellt, dass die neonazistische Kleinstpartei regelmäßig die Fassfabrik nutzt und hier unteranderem Kampfsporttrainings und Events durchführen konnte. Auch Sticker der Revolte Rheinland sind vorhanden – eine mittlerweile aufgelöste Gruppe von Neonazis, deren Logo war eine abgewandelte Form der Odal-Rune, die bereits im NS prominente Verwendung fand. Ebenso im breiten Potpourri extrem rechter Aufkleber zu finden sind Sticker einschlägig rechtsextremer Versandhändler mit den üblichen Anfeindungen gegen Geflüchtete und Antifaschist*innen. Bemerkenswert ist darüber hinaus eine Abbildung die Bezug nimmt auf die „Südtirolfrage“ – ein in den Jahren 1956-1969 virulentes Thema in der extremen Rechten. Damals verübten Rechtsextreme Anschläge, um das Gebiet freizupressen.
Neben diesen einschlägigen Darstellungen ist vor allem eines zu erkennen: harter Alkohol. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, wo genau in der Hassfabrik sich diese Szenerie befand: Es war der Eingangs-/Thekenbereich, kein Hinterzimmer. Das war das Erste, was Besucher*innen der Fassfabrik zu sehen bekamen. Wir verstehen das als bewusste Repräsentation der eigenen ideologischen Verortung.
Der Veranstaltungsraum

Wer in der Tür stand und sich von dort nach links wendete, begab sich in den Veranstaltungsraum, im Grundriss gelb gekennzeichnet. Die blauen Stützpfeiler kennzeichnen den Ort, an dem in der Vergangenheit Vorträge, Livestreams und Schulungsveranstaltungen durchgeführt wurden. Die Redner*innen waren dazu in den uns bekannten Fällen im Bereich der Tür vorne links positioniert. Rechts der Türen standen zwei Bücherregale sowie zwei Deutschlandflaggen. (Am Ende des Textes listen wir alle uns bekannten Veranstaltungen vor Ort auf und ordnen diese zeitlich ein.) Wer nun einmal den Raum durchschritt und die Tür im rechten Bereich passierte, betrat den größten Raum des Komplexes, den blau markierten Kampfsportraum.
Der Kampfsportbereich


Unmittelbar parallel zum Veranstaltungsraum wurde ein Kampfsportareal eingerichtet; links im Raum wurde ein Boxring installiert. Der Raum war mit Matten ausgelegt, die Mittelpfeiler waren abgepolstert und mit Hinweisschildern ausgestattet, die das Fotografieren verboten. Rechts von der Eingangstür wurden 3 Boxsäcke aufgehängt. Zentral vor den Spinden prangte eine Reichskriegsflagge. Generell war der Raum mit Flaggen umsäumt. Wir haben alle Flaggen, die wir identifizieren konnten, in einer Tabelle zusammengefasst und unsere Interpretation eingefügt. Solltet ihr Flaggen erkennen, meldet euch bitte bei uns, damit wir die Übersicht gemeinsam ergänzen können.
Auffällig ist aber bereits jetzt die Präsenz von historischen Flaggen ehemalig deutscher Gebiete. Hier lässt sich zumindest im Kontext sonstiger revisionistischer Einlassungen aus dem Umfeld der AfD Westerwald vermuten, dass diese Flaggen ein solches gebietsrevisionstisches Gedankengut repräsentieren. Klar ist, dass hier eine ideologische Komponente in direkten Zusammenhang mit der Vermittlung von Gewaltkompetenzen gebracht wird. In dieser Umgebung hat „Der III. Weg“ Kampfsporttrainings angeboten und ganze Events durchgeführt. Es ist davon auszugehen, dass hier Jugendlichen unter ideologischem Einfluss Gewaltkompetenzen vermittelt wurden. Bei der Einordnung darf nicht vergessen werden, dass es sich um den mit Abstand größten Raum der Anlage handelt - nur durch eine Wand vom Hauptveranstaltungsort der AfD Westerwald getrennt. Hier wurden die Prioritäten klar gesetzt.
Der Lagerraum

Zuletzt werfen wir einen Blick in den Lagerraum, im Grundriss grün markiert. Dort befand sich ein Lagersystem, unterteilt mit Schildern, die die Zugehörigkeit markierten. Im hinteren Bereich lässt sich die Bezeichnung „Sportgruppe“ erahnen. Darunter zu finden? Hauptsächlich Alkohol.
Fazit
Auf Grundlage der hier dargestellten Umstände, der räumlichen Verzahnung und der Präsenz eindeutig neonazistischer Symbolik, gehen wir davon aus, dass jede*r Besucher*in der Hassfabrik unweigerlich den Charakter der Immobilie erkennen musste. Die Betreiber*innen haben sich keinerlei Mühe gemacht ihre Sympathien für neonazistische Gruppierungen zu verbergen – ganz im Gegenteil: unserer Einschätzung nach ist davon auszugehen, dass extrem rechte Ideologie ein integraler Bestandteil des immobilieninternen Miteinanders gewesen sein muss. Dass die AfD Westerwald der Immobilie Ende 2024 öffentlichkeitswirksam nachtrauerte, macht klar, dass hier keinerlei Abgrenzung stattfand und jede öffentliche Distanzierung, wie sie im gleichen Facebookbeitrag versucht wurde, als Täuschungsversuch gewertet werden muss.
„Goodbye Fassfabrik! Mit Wehmut denken wir an sie zurück, die heute für immer ihre Pforten schließt. Sie war ein Leuchtturm der Freiheit. Gegründet von einem mutigen Unternehmer, der nicht länger zusehen wollte, wie linke Demokratiefeinde das zarte Pflänzchen der Demokratie mit Springerstiefeln zertreten wollten. (…) Wir haben uns als stabil und einschüchterungsresistent erwiesen. Es ist deshalb inzwischen für uns kein Problem mehr, an die benötigten Räumlichkeiten zu kommen. Und das kostengünstigster, als in der Fassfabrik. Ein altes Gemäuer mit vielfältigen Problemen, Schimmelbefall und hohen Heizkosten. Es ist uns deshalb nicht schwergefallen sie aufzugeben, zumal dort zwischenzeitlich auch andere Parteien aktiv waren, deren Programmatik mit der unseren nicht vereinbar ist. Trotzdem: Vielen Dank Fassfabrik. Sie hat uns in der Zeit größter Bedrohung durch die Feinde der Demokratie einen sicheren Rückzugsort geboten. Wir werden sie nicht vergessen!“
(Facebook: AfD Westerwald, 31.12.2024: www.facebook.com/afd.westerwald/posts/)
Die Hassfabrik war ein Paradebeispiel extrem rechter Immobilien. Vorrangig wurde hier Vergemeinschaftung im Zeichen extrem rechter Ideologie betrieben. Zahlreiche Vorträge, einschlägige Referent*innen und Symboliken zeugen davon. Die erzwungene Schließung der Hassfabrik nach wenigen Jahren hat, davon muss ausgegangen werden, eine interne Radikalisierungsspirale aus Alkohol, Gewalt und Ideologie ausgebremst. Ein Cocktail mit gefährlichem Potential.
Der Einblick, den wir heute in die Alltagsrealität der Hassfabrik gewähren konnten, ist ein seltenes Dokument, dessen überregionale Bedeutung kaum zu überschätzen ist. Während die Radikalisierung in derartigen Immobilien sonst im Geheimen stattfindet und die Öffentlichkeit im Worst Case erst davon erfährt, wenn es zu schweren Gewalttaten kommt, konnte diesem Treiben im Westerwald nicht nur ein Riegel vorgeschoben werden – wir sind auch in der Lage nachträglich die Innensicht zu analysieren.
Eine allgemeine Erkenntnis
Egal wo: wenn eine extrem rechte Immobilie im Entstehen begriffen ist oder bereits besteht, ist die Arbeit gegen diese Immobilie eine unverhandelbare Notwendigkeit demokratischer und antifaschistischer Strukturen vor Ort. Zu gefährlich und unkalkulierbar ist das Potential solcher Immobilien, als dass deren Existenz schulterzuckend hingenommen werden könnte. Wir sehen im Engagement gegen solche Immobilien ein essenzielles Betätigungsfeld im Kampf gegen extrem rechte Bestrebungen. Stay tuned – zu dem Themenbereich werdet ihr in Zukunft noch einiges von uns hören.
Veranstaltungen:
- 28.09.2019 Inoffizielle Einweihung der Räume mit u.a. Andreas Kalbitz
- 03.10.2019 Vortrag Hans-Jörge Müller und Eröffnung der Fassfabrik inkl. Feuerwerk
- 12.02.2020 geplanter öffentlicher Stammtisch
- 01.10.2020 Stefan Scheil Vortrag
- 03.10.2020 Harald Weyel
- 10.10.2020 Vortrag Reinhild Boßdorf
- 16.10.2020 Vortrag Martin Renner
- 28.07.2021 Andreas Mrosek
- 26.09.2021 Vortrag Harald Weyel
- 06.03.2022 Unbekannt
- 27.08.2022 Gunnar Lindemann und Christian Dietz-Verier
- 25.03.2023 Vortrag Roger Beckamp
- 01.04.2023 Vortrag Björn Clemens
- 08.04.2023 Ostara
- 06.05.2023 Vortrag Gunnar Lindemann
- 03.06.2023 Vortrag Axel Bürger
- 30.06.2023 Entrümpelungsmaßnahme
- 07.07.2023 Möglicherweise Kampfsportveranstaltung?
- 12.07.2023 Martin Renner in der Fassfabrik
- 02.10.2023 Kampfsportveranstaltung Der III.Weg
- 07.10.2023 Bürgerdialog Gunnar Gerdemann
- 10.02.2024 Unbekannt
- 30.03.2024 Kampfsportveranstaltung Der III. Weg
- 04.10.2024 Unbekannt; möglicherweise Vorbereitungsmaßnahmen für nächsten Tag
- 05.10.2024 Kampfsportveranstaltung Der III. Weg und Polizeirazzia
- 31.12.2024 Abschiedsposting der AfD Westerwald
Flaggen:

Südtirol

Mähren

Mecklenburg

Königreich Böhmen

Hessen

Vermutlich Bayern

Vermutlich Ostbrandenburg

Vermutlich Memmelgebiet

Pommern

Norddeutscher Bund / Kaiserreich

Westerwald

Ostpreußen

Oberschlesien

Lothringen

Oberelsaß und Unterelsaß

Vermutlich Baden

Westfalen

Sudetenland

Großherzogtum Posen Provinz

???

Sachsen

Reichskriegsflagge

Stadt Eupen

Malmedy

???

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