Neuer Rechtsrock-Hotspot in Rheinland-Pfalz

von DEMOS e.V. und Thorsten Hindrichs

Am Samstag, 26. Februar 2022, verhinderte die Kriminaldirektion Koblenz nach Eigenangaben mit 130 Einsatzkräften „unmittelbar vor Beginn“ ein Konzert mit der thüringischen RechtsRock-Band Unbeliebte Jungs, das in „einer alten Mühle“ hätte stattfinden sollen und zu dem sich dreißig Besucher*innen eingefunden hatten (https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/117715/5157310 [letzter Zugriff: 2. März 2022]).

Inwiefern die Unbeliebten Jungs in voller Bandbesetzung hätten spielen sollen, ist zwar unklar, angesichts der eher beengten räumlichen Gegebenheiten der in einem Waldstück nördlich von Vallendar und östlich von Weitersburg gelegenen „Schnatzenmühle“ ist aber davon auszugehen, dass die Unbeliebten Jungs, wie bereits häufiger in letzter Zeit, als ‚unplugged‘-Duo aus Sonneberg in Thüringen an den Rhein gereist waren. 

Angesichts dessen, dass dieses Konzert weder öffentlich noch halböffentlich beworben, sondern ausschließlich szeneintern angekündigt wurde, dürfte der Zugriff der rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden für alle Beteiligten durchaus überraschend gekommen sein. Nicht zuletzt wegen der Lage der Mühle, die mitten in einer Schlucht nur über eine schmale Straße zugänglich ist, fühlt(e) man sich hier bislang offenbar unbeobachtet. Für uns allerdings ist der Auftrittsort alles andere als eine Überraschung, weil wir die Aktivitäten rund um die „Schnatzenmühle“ bereits seit mehreren Monaten beobachten. Die Pressemitteilung der Polizei, die naturgemäß sehr knapp gehalten ist, hat uns veranlasst, die bisherigen Ergebnisse unserer Recherchen jetzt öffentlich zu machen, obwohl noch nicht alle Details "ausrecherchiert" sind. Unser besonderer Dank gilt dabei den stabilen Menschen, die mehrere Nächte im Umfeld der "Schnatzenmühle" verbracht haben, um unsere Annahmen zu überprüfen und Fotos zu machen.

Extrem rechte Musikveranstaltungen in der „Schnatzenmühle“ 

Mit insgesamt (mindestens) neun Konzerten fanden trotz der coronapandemiebedingten Einschränkungen in Rheinland-Pfalz im Jahr 2021 mehr extrem rechte Musikveranstaltungen als in den Vorjahren statt, in denen es pro Jahr im Schnitt [+/- 1] 'nur' sechs RechtsRock-Konzerte gab; Rheinland-Pfalz ist unserem Überblick demnach das einzige Bundesland, in dem 2021 überhaupt ein solcher Anstieg zu verzeichnen ist. Von diesen (mindestens) neun Veranstaltungen wiederum gingen allein im zweiten Halbjahr 2021 mindestens drei in der „Schnatzenmühle“ über die Bühne:

Am 11. Dezember 2021 spielte Hermunduren im Anschluss an den Besuch eines „nationalen Weihnachtsmarkts“. Hinter „Hermunduren“ verbirgt sich der Hammerskin-Supporter Steven Arndt aus Eisenach.

Vier Wochen zuvor, am 13. November 2021, gab es zunächst einen „hybriden“ Liederabend mit FreilichFrei (so der Künstlername von Maik Krüger) und dem RAC-Drummer, der trotz eines längeren Stromausfalls sowohl vor Ort in der „Schnatzenmühle“ stattfand als auch online über die Facebook-Seite von FreilichFrei gestreamt wurde; im Anschluss und ohne Livestream spielte zudem Eidstreu vor etwa dreißig Rechten („Eidstreu“ ist Maik Sundermann aus Magdeburg.).

 

Kurz zuvor, am 23. Oktober 2021, fand ein Liederabend, wiederum mit FreilichFrei, statt, der, wie die beiden anderen Veranstaltungen auch, halböffentlich via Social Media mit Anmeldung über Threema beworben wurde. 

 

Maik Krüger in Vallendar

Ohnehin dreht sich das Konzertleben in der „Schnatzenmühle“ in erster Linie um Maik Krüger, der offenbar im Spätsommer 2021 den Mittelpunkt seiner Aktivitäten von Sachsen an den Rhein bei Vallendar verlegt hat. So berichtete Krüger auf seinen Social-Media-Kanälen über einen „verrückten Liederabend […] in der Nähe des Rheins“ am 19. Juli 2021, ergänzt um ein Foto, das etwa in Höhe des Willy-Brandt-Ufers in Vallendar aufgenommen worden sein muss und den Rhein sowie die gegenüber dem Vallendarer Rheinufer gelegene Kirche St. Georg in Koblenz-Niederwerth zeigt.

 

Auch für den 18. September 2021 warb Krüger für einen „Kneipenabend mit FreilichFrei irgendwo am Rhein“.

 

Zwar ist unklar, ob diese beiden Veranstaltungen ebenfalls in der „Schnatzenmühle“ stattgefunden haben, umso bemerkenswerter ist jedoch, dass das extrem rechte Kleinstlabel Snotra ausgerechnet durch Maik Krüger selbst am 25. August 2021 auf dessen Social Media-Kanälen verkünden ließ, dass „wieder ein neuer Musiker dazu gekommen [ist] und das heißt für euch, dass ihr ab jetzt auch FreilichFrei Sachen bei uns bekommt“.

  

Snotra

Bei Snotra gibt es vor allem Merchandise-Artikel zu kaufen; neben allerlei Aschenbechern und Untersetzern mit dem hauseigenen Logo, bei dem das O in Snotra durch eine Schwarze Sonne ersetzt ist, sind dies vor allem T-Shirts, Basecaps und Plüschtiere (!) mit den Logos von FreilichFrei, Eidstreu und dem rheinland-pfälzischen Liedermacher Renitenz (Daniel Strunk, früher Kopf der RechtsRockband Breakdown, ist in den letzten Jahren vorrangig als Liedermacher Renitenz aktiv). Dieser ist wiederum bislang der einzige Musiker, der bei Snotra auch (s)eine CD Wohin der Weg auch führt zum Kauf anbietet. 

Bis mindestens April 2021 war im Impressum der Homepage von snotra.ch interessanterweise die Adresse „Unter Meerbach 9999“ in Vallendar angegeben. Die Hausnummer 9999 ist selbstverständlich frei erfunden und dürfte vor allem als Chiffre für ‚wirklich am alleräußersten Ende der Straße‘ „Unter Meerbach“ gedient haben. Wer wiederum der von dem Alias ‚babe85‘ übermittelten Wegbeschreibung für die Liederabende am 23. Oktober und am 13. November 2021 gefolgt und die schmale Straße Unter Meerbach von Vallendar aus kommend bis zum alleräußersten Ende gefahren ist, gelangte zwangsläufig zur „Schnatzenmühle“.  

Unter dem gleichen Alias bewarb der Account ‚babe85‘ (unterzeichnet mit „Snotra-Team“) noch im Juli 2021 auf Telegram ein Solidaritätspaket mit verschiedenen Merchandise-Artikeln von Renitenz und RAC-Drummer aus dem Sortiment von Snotra „für die Kameraden im Ahrtal“.

Passend dazu zeigte sich am 13. November 2021 ein Teilnehmer mit einem T-Shirt der Marke Black Legion, mit dem ebenfalls Fluthilfe für Kameraden im Ahrtal finanziert werden sollte.

Spätestens seit Herbst 2021 ist dem Telegramaccount ‚babe85‘ der Name „Maik“ zugeordnet. Dessen Profilbild zeigt, neben einer mit einem Herzsymbol vor dem Gesicht unkenntlich gemachten Person, eine gewisse Eileena K., die ein T-Shirt mit dem Logo der RechtsRock-Band Breakdown, der (ehemaligen) Band von Daniel Strunk aka Renitenz, trägt. Inwieweit der Account ‚babe85‘ mittlerweile tatsächlich von Maik Krüger bespielt wird, muss vorerst offen bleiben, auffällig ist aber immerhin, dass sämtliche Posts des Telegramkanals von FreilichFrei von ‚babe85‘ bzw. "Maik" an andere Kanäle weitergeleitet werden. 

Einschätzungen und Ausblick 

Auf den ersten Blick und von außen betrachtet mögen extrem rechte Musikveranstaltungen mit gerade einmal dreißig Besucher*innen vergleichsweise unspektakulär aussehen. Unserer Einschätzung nach sind die Aktivitäten in der „Schnatzenmühle“ jedoch keineswegs „harmlos“ und dürfen keinesfalls bagatellisiert werden.  

Wenngleich die Besitzverhältnisse der „Schnatzenmühle“ zur Zeit noch ungeklärt sind, so deuten die intensiven Bauaktivitäten, die wir in den letzten Monaten beobachten konnten und die offenbar in Eigenregie durchgeführt werden, darauf hin, dass hier einiges an Geld investiert wird, um die Mühle weiter auszubauen und sie so als feste Spielstätte für extrem rechte Musikveranstaltungen zu etablieren.  

Sollte dies dauerhaft gelingen, hätte das unseres Erachtens beträchtliche Konsequenzen für die Region des nördlichen Rheinland-Pfalz über den Westerwald bis hinein nach Mittelhessen, wo der extrem rechten Musikszene seit der Schließung des Bistro Hollywood in Leun-Stockhausen ein solch fixer Veranstaltungsort fehlte. In diesem Zusammenhang ist denn auch mehr als auffällig, dass einer ersten Netzwerkanalyse des ‚privaten‘ facebook-Accounts von Maik Krüger (bei facebook als „Maik Kramer“) zufolge neben den Accounts „Jens Beh“ (Jens Brucherseifer von Sturmwehr) und „Hans Rudel“ (Tobias Vogt von Exzess) ausgerechnet „Lars Schulz“ zu den Top 3-Accounts zählt, die über wechselseitige Likes, Shares und Kommentare und die größte Schnittmenge an gemeinsamer Followerschaft am häufigsten und engsten mit Krügers Account interagieren. Schulz versucht nicht nur seit Längerem als RechtsRockunternehmer im Lahn-Dill-Kreis und im Westerwaldkreis Fuß zu fassen, sondern zeichnete 2018 auch für das seinerzeit mit viel Brimborium angekündigte, mittlerweile jedoch wieder sang- und klanglos in der Versenkung verschwundene Projekt „Club H5“ verantwortlich, das als extrem rechter „Wanderclub“ für RechtsRock die Region mit Konzerten bespielen wollte (vgl. dazu https://www.lotta-magazin.de/ausgabe/online/neuer-wanderclub-f-r-rechtsrock-hessen [letzter Zugriff: 7. März 2022]). Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis Lars Schulz versuchen wird, enger an die „Schnatzenmühle“ anzudocken, um dort entweder sein „Club H5“-Projekt wiederzubeleben oder ein neues Projekt aus der Taufe zu heben.  

Indem die „Schnatzenmühle“ jedoch nicht nur als feste Spielstätte für extrem rechte Musikveranstaltungen, sondern auch als Sitz des extrem rechten Kleinstversands Snotra genutzt wird, verbinden sich hier die beiden – geradezu ‚klassischen‘ – Geschäftsfelder des RechtsRock, Konzerte und Versandhandel, an ein und demselben Ort. Grundsätzlich ermöglichen es Tonträger und jede Menge Merchandise-Artikel, wie sie von Snotra angeboten werden, extrem rechten Musikfans, die ‚Lebenswelt RechtsRock‘ ins individuelle Privatleben daheim überführen zu können und sich so einer größeren Gemeinschaft zugehörig zu fühlen. Diese Einbindung von RechtsRock in den je individuellen Alltag erfüllt notwendig eine ebenso szenestabilisierende Funktion wie der nicht alltägliche, sondern vielmehr dem Alltag enthobene Besuch eines Konzerts, wie z.B. in der „Schnatzenmühle“. Dort lassen sich nicht nur die (vermutlich vom gesamten Publikum gemeinsam bewunderten) Bands oder Liedermacher auf der Bühne erleben, solche Konzerte dienen zugleich auch als Marktplatz, auf dem sich sowohl die neuesten CDs als auch jede Menge Merchandise-Artikel aller Art (ver-)kaufen lassen. RechtsRock-Konzerte sind damit Marktplatz und Erlebnisort zugleich – und sie sind zentrale Netzwerkknotenpunkte zur szeneinternen Stabilisierung extrem rechter Sozialkontakte. Dies gilt umso mehr, als dass mindestens drei der bisherigen Konzerte in der „Schnatzenmühle“ parallel via facebook live gestreamt wurden und dadurch ein, vor allem auch mit Blick auf die überregionale Reichweite, wesentlich größeres Publikum erreicht haben als „nur“ die etwa dreißig Besucher*innen vor Ort (der Stream des Konzerts vom 13. November 2021 weist mittlerweile knapp 4000 Zugriffe auf).  

Während Snotra über Monate hinweg mehr oder weniger unbemerkt vor sich hindümpelte und mit Eidstreu und Renitenz auch nur eher leidlich ‚bekannte‘ Musiker vorweisen konnte, spielt mit Maik Krüger nun ein in der bundesdeutschen RechtsRock-Szene ungleich prominenterer und umtriebigerer Musiker im Team von Snotra und verhilft der „Schnatzenmühle“ insbesondere durch die dort seit seinem Hinzukommen aufgenommenen Konzertaktivitäten, zu deutlich mehr szeneinterner Aufmerksamkeit. Auf Sicht ist dementsprechend zu befürchten, dass die „Schnatzenmühle“ tatsächlich auf dem besten (bzw. schlechtesten) Weg ist, sich zu einem neuen RechtsRock-Hotspot und damit eben auch zu einem extrem rechten Netzwerkknoten im nördlichen Rheinland-Pfalz zu entwickeln.

Vielleicht hat schon allein der Zugriff der rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden am 26. Februar 2022 einen gewissen Eindruck hinterlassen, womöglich hat aber auch die damit verbundene Hausdurchsuchung bei Snotra für genügend Chaos in der Mühle gesorgt, jedenfalls fand der am 12. März 2022 wiederum "hybrid" durchgeführte Liederabend mit FreilichFrei und dem RAC-Drummer nicht in der "Schnatzenmühle" statt. Ein Grund zur Entwarnung ist dieser vorgenommene Ortswechsel indes keinesfalls. Vielmehr belegt dies, dass die extrem rechten Akteur*innen in der Region offenbar über mehr Räumlichkeiten als nur die "Schnatzenmühle" verfügen. So oder so werden wir die Strukturen um die "Schnatzenmühle" und Snotra weiterhin im Auge behalten.

 

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